„Als ausgebildete islamische Seelsorgerin besuche ich einmal wöchentlich die Menschen, die aufgrund ihrer Krankheit oder Beschwerden im Diakonissenkrankenhaus stationiert sind. Zu Beginn eines Besuches stelle ich mich vor und biete ein Gespräch an. Durch meine kulturellen, sprachlichen und traditionellen Kenntnisse empfinden die Patienten eine gewisse Nähe und können leichter Vertrauen schenken. Sie klagen über allgemeine Probleme und manchmal kommen religiöse Themen vor. Bedrückte Patienten werden motiviert über angenehme Erfahrungen, wie z.B. Hobbies oder schöne Erinnerungen zu erzählen. Dadurch sind sie, zumindest für eine kurze Zeit, abgelenkt.
Gelegentlich kommt es vor, dass ich als Brücke zwischen Patienten und dem Personal diene. Meistens geht es um die Erklärung der Medikamenteneinnahme. Viele haben einen sehr hohen Gesprächsbedarf, ich sitze geduldig und versuche zuzuhören. Nicht selten ist es so, dass der Patient seine Situation zugespitzt erlebt. Bei einem der Besuche traf ich eine alleinerziehende Mutter kurz vor ihrer Operation. Sie hatte so viel Angst davor, was mit ihren „Babys“ passiert, falls sie während dem Eingriff stirbt. So nannte sie ihre Kinder, die in Wirklichkeit längst keine Babys mehr waren. Ihr jüngstes Kind war schon 16, und es handelte sich bei ihr um eine Gebärmutterausschabung. Nach einfühlsamer Begleitung und liebevoller Zuwendung war die Patientin bereit, ihre Sorgen, Bedürfnisse und Wünsche auszusprechen, sie wahrzunehmen, sich offen mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen und neue Handlungsmöglichkeiten für sich zu sehen. Sie war sehr dankbar, dass ihr jemand in dieser schweren Situation Aufmerksamkeit und Gehör schenkte.Zunehmend sind ältere Leute zu finden, die sich nach menschlicher Gemeinschaft sehnen und Sich über einem solchen Besuch sichtlich freuen. Besonders diese Gruppe von Patienten beschenkt mich reichlich mit vielen kleinen Bittgebeten, sodass es mir auch sehr gut tut und mich bei meiner Arbeit motiviert. Sicherlich ist die Seelsorge ein Geben und Nehmen.”