Hospiz- & Palliativseelsorge
Schmerzen – Angst – Todesangst – die Frage nach dem Sinn des Lebens – die Frage nach Gott – Lebensbilanz ziehen – ungelebte Träume – Enttäuschungen – Wut – Trauer – Hoffnungslosigkeit – Bedürfnisse – selbstbestimmt bleiben – den persönlichen Willen respektieren – würdevolle Begleitung
Sie befinden sich in einer schmerzvollen Phase mit einem lebensverkürzend erkrankten geliebten Menschen. Wir muslimische Seelsorger*innen begleiten Sie unter der Verpflichtung zur Verschwiegenheit einfühlsam und stärkend auf Ihrem schweren Weg. Mit Ihnen gemeinsam suchen wir nach Quellen des Trostes, der Beruhigung und der Hoffnung.
Seelsorge für lebensverkürzend erkrankte Kinder und Jugendliche, Erwachsene und ältere Menschen und deren Angehörige
Unheilbar kranke Patient*innen mit geringer Lebenserwartung können bis zu ihrem Tod zu Hause, auf der Palliativstation einer Klinik, in einem Hospiz, einem Tages-Hospiz oder in Pflegeheimen leben. Die Aufgabe der Palliativpflege und der Hospizarbeit ist es, Schmerzen zu lindern, Angst zu nehmen und bis zuletzt ein würdevolles Leben zu ermöglichen.
Die seelsorgerliche Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen widmet sich dem religös-spirituellen Bedürfnis der Betroffenen einschließlich der Angehörigen zur Stärkung und Erleichterung in der letzten Lebensphase.
Die spirituelle Begleitung ist eine der vier tragenden Säulen der palliativen Versorgung.
„Wir gehören ALLAH und zu Ihm kehren wir zurück.“
(Qur’an 2,156)
Diese Formel sprechen Muslim*innen aus, wenn jemand gestorben ist. Der Tod bedeutet den Heimgang zu unserem Schöpfer, der uns für eine bestimmte Zeit Leben schenkt und uns zu bestimmter Zeit wieder zu sich zurücknimmt. In diesem Sinne ist das irdische Leben eine Durchgangsstation. Der Tod bedeutet den Übergang von dieser Welt in eine jenseitige Welt. Der Sterbeprozess leitet den Übergang vom irdischen Dasein in einen neuen Seinszustand ein. Angesichts der Unausweichlichkeit des Todes sind die Gläubigen – nicht erst in der letzten Lebensphase – dazu angehalten, sich häufig an den Tod zu erinnern, über den Tod zu reflektieren anstatt ihn zu verdrängen.
„Sag: ‘Siehe, der Tod, vor dem ihr flieht, wird euch bestimmt ereilen – und dann werdet ihr zurückgebracht zu Ihm, der alles weiß, was jenseits der Wahrnehmung eines erschaffenen Wesens ist, wie auch alles, was von den Sinnen oder dem Geist eines Geschöpfes wahrgenommen werden kann, woraufhin Er euch all das wahrhaft verstehen lassen wird, was ihr (im Leben) getan habt.‘ “
(Qur’an 62,8)
In Deutschland ist in der muslimischen Bevölkerung eine Abnahme des Jenseitsglaubens festzustellen. Auf die gesamte Gesellschaft bezogen erscheint es als notwendig, den Tod wieder als ganz normalen Teil des menschlichen Lebens anzunehmen und sich damit auseinanderzusetzen. Eine Ausklammerung steigert die Angst. Vor diesem Hintergrund ist an dieser Stelle unsere muslimische Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen, indem wir unsere Unterstützung und unseren Beistand in dieser existentiellen Situation anbieten. Wir wollen dazu beitragen, dass unsere muslimischen Mitmenschen und ihre Angehörigen bei schwerer, lebensverkürzender Krankheit und im Sterbeprozess eine religiöse und/oder kulturspezifische Begleitung erhalten.
„Der Muslim ist des Muslims Bruder. Ihn darf er weder unterdrücken noch zugrunde gehen lassen. Wer seinem Bruder in der Not beisteht, dem steht Allah in seiner eigenen Not bei. Und wer einem Muslim eine Sorge abnimmt, dem nimmt Allah eine Sorge von den Sorgen am Tage der Auferstehung ab. Und wer einen Muslim nicht bloßstellt, den stellt Allah nicht bloß am Tage der Auferstehung.“
(Sahih al-Buchari, Kapitel 41,Hadith Nr. 2442)
Existentielle, soziale und seelische Sorge tragen für Andere ist ein religiöses Gebot und wird verinnerlicht als Grundhaltung. In der Hospizarbeit geht es darum, die verbleibenden Tage physisch und seelisch so angenehm und erleichternd wie möglich zu machen. Die Patient*innen sollen in ihrer körperlich und seelisch schweren Situation Unterstützung fühlen. Indem Seelsorger*innen aufmerksam Ängste, Wünsche, Bedürfnisse und das jeweils eigene Verhältnis der Patient*innen zur Transzendenz erspüren, die jeweils eigenen Bilder und Geschichten der Patient*innen aufnehmen und mit diesen arbeiten, können Seelsorger*innen den Kranken und Sterbenden helfen, einen Zugang zu ihren wichtigen und ganz eigenen religiösen oder spirituellen Ressourcen zu bekommen, um so letztendlich Frieden zu finden.
Wichtig ist es, die Angehörigen in den Leidensweg und den Sterbeprozess ihres Familienmitgliedes miteinzubeziehen. Kommunikation zwischen dem Sterbendem und den Familienangehörigen ist sehr wichtig, die reale Situation der Patientin oder des Patienten darf nicht ausgeklammert und verdrängt werden als wäre alles in Ordnung. Neben dem Erfragen und Erfüllen der letzten Wünsche ist es im Islam von großer Bedeutung, zwischenmenschliche Streitigkeiten beizulegen und Vergebung zu erlangen oder zu gewähren. Hat der oder die Schwerkranke oder Sterbende Schulden, müssen die Schulden beglichen werden, sonst wäre dies nach islamischer Auffassung eine Erschwerung beim Übergang in den Seinszustand nach dem Tod. Kann der Betroffene selbst seine Schulden nicht tilgen, bieten oft Familienangehörige oder sogar Außenstehende die Schuldentilgung an und verstehen diese Hilfe für den Sterbenden oder Verstorbenen als religiöse Handlung. Die Bemühung der Angehörigen und der Seelsorgenden geht auch dahin, dass, wenn das Sterben absehbar ist, gemeinsam mit dem Sterbenden eine Rückschau auf das Leben gehalten wird. Möglicher Groll oder Enttäuschung können in der gemeinsamen Erinnerung wichtiger und schöner Ereignisse und Momente umgewandelt werden. Im Idealfall kann der Sterbende trotz aller Widerlichkeiten im Leben unter religiöser Sinnzuschreibung mit Dankbarkeit auf ein gelungenes Leben zurückschauen. Dies bedeutet eine immense seelische Erleichterung für die Sterbephase. Dies alles setzt natürlich voraus, dass die dafür notwendige Zeit noch gegeben ist. Bei praktizierenden Muslim*innen können Seelsorger*innen in genannter Richtung unterstützen als auch bei der Einhaltung der islamischen Riten während des Sterbeprozesses oder nach dem Versterben.
In der unmittelbaren Sterbephase gehört es zum islamischen Ritus, dem Sterbenden das Glaubensbekenntnis vorzusprechen, es wenn möglich sprechen zu lassen und beständig daran zu erinnern sowie den Sterbenden Qur’anrezitationen hören zu lassen und ihn nach Möglichkeit auf die rechte Seite mit dem Gesicht nach Mekka zu betten. Das Hören einer Qur’anrezitation kann bei gläubigen Muslim*innen dafür sorgen, dass die Gedanken und Herzen der Gläubigen auf Allah hin ausgerichtet werden, so dass die Seele in größter Trauer und Beschwernis zur Ruhe geleitet werden kann (siehe auch RELIGIÖSE SEELSORGERLICHE RESSOURCEN IM ISLAM, Ritual Qur’anlesung).
Das Wissen um diese Unterstützung in den glaubensmäßig vorgeschriebenen Handlungen nimmt Ängste und beruhigt die Betroffenen. Oftmals unterscheiden sich kulturelle Traditionen von den religiösen Riten. Unsere Seelsorger*innen können dank ihrer religiösen und interkulturellen Kompetenz einen kulturspezifischen Umgang der Betroffenen mit den Grenzsituationen Krankheit, Sterben und Tod erkennen und respektvoll einbeziehen bzw. im Voraus absehen, welche Art der Begleitung erwünscht ist.
Unsere Seelsorgenden sind auch in der Trauerphase für die Angehörigen da und betreuen religiös und kultursensibel.
Seelsorge für lebensverkürzend erkrankte Kinder und Jugendliche und deren Angehörige
Die Frage nach dem Warum- es nicht ertragen können – Wut – Hilflosigkeit – Hoffnungslosigkeit – Schmerz – unendliche Trauer – Bedürfnisse des erkrankten Kindes – Wie begleite ich mein Kind?
Das Leben ist nach islamischer Auffassung ein Geschenk Gottes. Gott schenkt uns Leben für eine bestimmte, festgesetzte Zeit, die nur Gott allein bekannt ist. Wir kommen von Gott, und wir kehren zu Ihm zurück. Wir können nicht erwarten, dass wir erst ab einem bestimmten Alter aus diesem Leben abberufen werden. Wir können jederzeit durch einen Unfall plötzlich aus dem Leben gerissen werden oder nach langer, schwerer Krankheit mit dem Wissen, dass der Tod unausweichlich ist, die Krankheit nicht geheilt, sondern nur in der Ausprägung gemildert werden kann. Besonders schwer zu ertragen für uns Menschen ist es, wenn Babys, Kinder oder Jugendliche in ihrem jungen Alter sterben müssen – vor ihren Eltern.
In Deutschland sind etwa 40 000 Kinder so schwer krank, dass sie das Erwachsenenalter nicht erreichen werden. Die Kinder und Jugendlichen können auf Wunsch der Familie ambulant zu Hause von Kinderhospizmitarbeiter*innen begleitet werden oder stationär in einem Kinder- und Jugendhospiz, das speziell auf die Bedürfnisse von Kindern oder Jugendlichen zugeschnitten ist. Stationär kann die ganze Familie für gewisse Zeiten Aufnahme finden und dort eine Pause einlegen, um wieder Kraft für den anstrengenden Alltag zu Hause zu schöpfen. Im Hospiz kann die Pflege von Pflegefachkräften übernommen werden. „Im Hospiz sein“ bedeutet hier nicht von Anfang an, dass dies die Endstation ist. Es ist oft der Beginn einer langen Begleitung, denn Kinder und Jugendliche mit der Diagnose einer lebensverkürzenden Erkrankung leben jahrelang mit dieser Grunderkrankung und in dem Bewusstsein dieser Prognose. In Krisensituationen oder in der Lebensendphase werden die Familien zeitlich unbegrenzt aufgenommen. Ziel der Hospizarbeit ist es, den betroffenen Familien mit ihren vielfältigen Angeboten größtmögliche Entlastung zu bieten. Dazu gehört auch die Ermöglichung einer seelsorgerlichen Betreuung.
In dieser schweren Zeit findet in den betroffenen Familien eine intensive Auseinandersetzung mit der Erkrankung und der verbleibenden, begrenzten Zeit statt. Das erkrankte Kind, der erkrankte Jugendliche, die Geschwisterkinder, die Eltern, die Großeltern – alle sind als spezifischer Teil der Familie betroffen und haben ihre eigenen, auch altersabhängigen Fragen, Ängste und Hoffnungen. Diesen wird seelsorgerlich nachgespürt und Stärkendes entgegengesetzt. Die Suche nach Antworten verläuft oft religiös. Die Frage nach Gott und dem Warum sind zentral. Unsere ausgebildeten Seelsorger*innen leisten den Familien religiös-spirituell und kultursensibel bereits während der langen Krankheitszeit Beistand. Die Sterbephase wird so angenehm wie möglich gemacht und den jeweiligen Wünschen und Bedürfnissen entsprechend begleitet. Die Glaubens- und Sinnfragen können unter Unterstützung durch die Seelsorgenden zu Halt und Trost führen, Schmerz und Trauer in einem Prozess als Teil des Lebens akzeptiert werden. Das sind wichtig Voraussetzungen dafür, dass die Seelen der Zurückgebliebenen heilen und Mut und Zuversicht geschöpft werden können.
Unsere Seelsorger*innen für die seelsorgerliche Betreuung von Kindern, Jugendlichen und ihren Angehörigen sind ausgebildet in grundlegender islamischer Seelsorge, Palliativ- und Hospizseelsorge sowie Trauerseelsorge.